Das höchste Mittelgebirge Norddeutschlands hat im Winter einiges zu bieten. Historische Fachwerkstädtchen, UNESCO Welterbe, rasante Rodelpisten, beeindruckende Felsformationen, tiefe Schluchten und Höhlen, Nachtwächter und überall schaurige Hexen. Goethe, Heine und Zar Peter der Große waren auch schon da. Im Harz. Wir begaben uns ab Quedlinburg im Ostharz auf Entdeckungstour durch den Harz.
Brocken: Hinauf mit der dampfenden Lok
Der Brocken (abgeleitet vom niederdeutschen brook {Bruchberg} oder nordisch brok, was soviel wie umwölkt bzw. benebelt heißt) empfängt einen im Durchschnitt an über 306 Tagen mit Nebel, dazu prasseln 262 Niederschlagstage pro Jahr. Wir wurden dagegen mit blauem Himmel und schönstem Sonnenschein am Gleis 1 der historischen Schmalspurbahn auf einer Höhe von 1.125 Metern begrüßt. Etwa anderthalb Stunden dauert die dampfende und zischende Auffahrt mit der historischen Dampflok ab Wernigerode (auf 234 Metern). An solchen Sonnentagen muss ein Stehplatz mit herrlichem Ausblick in die Fichtenwälder und auf die urigen Bahnhöfe an der Strecke genügen. Oben angekommen gilt es die weite 360-Grad-Rundumsicht über den gesamten Gebirgszug zu genießen. Das Brockenplateau und seine Fichtenwälder drumherum sind mit weißem Schnee bedeckt, am Horizont schweben leise bunte Heißluftballons bei Temperaturen um den Gefrierpunkt vorbei. Winterwunderwelt Harz!
Im Schnee toben, eine kurze Runde in der Natur- und Geschichtsausstellung im Brockenhaus und einen kleinen Snack beim Brockenwirt und schon ist die Zeit wieder vorbei. Runter geht es mit dem vorletzten Zug ins Tal. Wir werden von einem traumhaften Sonnenuntergang und lockeren Gesprächen von norddeutschen Harz-Urlaubern in der ruckelnden Nostalgiebahn verabschiedet. Ganz gegen die neblige Brockenstatistik.
Thale: Hexentanzplatz und Rosstrappe
Eine beeindruckende Landschaft, die sich einem nach der Fahrt mit der Seilbahn, dem Sessellift oder dem Fußmarsch hinauf ergibt. Der Hexentanzplatz ist ein mystischer Touristenanziehungspunkt mit Fressbuden und Souvenirständen. Der Aus- und Weitblick über den größten deutschen Canyon, den Grand Canyon des Harzes, das Bodetal, entschädigt. Gleich gegenüber ragt die steile und gleichfalls schroffe Rosstrappe, ein über 400 Meter hoher Granitfelsen, hervor.
Quedlinburg: Fachwerke und Schlossburg
Quedlinburg gilt nicht zur Unrecht als einer der schönsten und bedeutendsten Fachwerkstädte Deutschlands. Knapp 2.000 Fachwerkhäuser schmücken den Ort im nördlichen Harz mit seiner über tausendjährigen Geschichte. Seit 1994 gehört das imposante Schlossbergensemble und die historische Altstadt zur Liste der geschützten Kulturdenkmale der UNESCO. In den Abendstunden führt der Nachtwächter durch die einsamen Gassen und die Einheimische sowie Urlauber versammeln sich in den Restaurants und Brauhäusern des Orts. Vorbestellen lohnt sich, wenn man nicht auf unbestimmte Zeit auf einen Ausschank warten möchte.
Goethes Höhlenort: Baumannshöhle in Rübeland
Unser aller Goethe war drei Mal da, heißt es. Erinnern kann sich niemand so genau. Die Baumannshöhle im heutigen Höhlenort Rübeland wurde vom deutschen Dichter zwischen 1777 und 1784 besucht, möglich ist dies bereits seit 1649 in der ältesten Schauhöhle Deutschlands. Nach ihm benannt wurde der größte Höhlensaal in dem bis zu 300 Personen unterirdische Konzerte und Kultur erleben können sowie der künstlich angelegte Wolfgangsee. Zu sehen sind das ebenfalls nach Goethe beschriebe Hamburger Wappen, der Graue Mönch, Schildkröten und bis zu drei Meter hohe und tausend Jahre alte Kalksäulen. Alles naturgeschaffen! Konstant acht Grad Celsius sowie eine Luftfeuchtigkeit von 96 bis 98 Prozent herrschen in dieser unterirdischen Tropfsteinkulisse, die nebenbei auch Fledermausschutzgebiet ist. Bereits 20.000 bis 25.000 Jahre ausgestorben ist der pflanzenfressende Höhlenbär, dessen knöchende Überreste aus der letzten Eiszeit nach Goethes Besuch etwa 1890 in der Höhle gefunden und ausgestellt wurden. Eine Führung führt die heutigen Höhlengucker auf 300 Treppenstufen und etwa 600 Meter durch die Höhlenkammern und Gänge.
Wernigerode: Nachtwächter und Baumkuchen
In Wernigerode führt der äußerst sympathische Nachtwächter Rudolf Nüchterlein (das Original) vier Mal die Woche durch die Altstadt. Treffpunkt ist am Brunnen auf dem Marktplatz. Leider fehlte uns die Zeit für einen geführten Streifzug durch das nächtliche Wernigerode.
Davor solltet ihr unbedingt die Harzer Baumkuchen im gelben baumkuchenförmigen Baumkuchenhaus probieren. Vorsicht, sehr lecker und nicht gerade günstig!
Reisetipps für Quedlinberg
Unterkunft in Quedlinburg: Wir wohnten am Fuße des Schlossbergs im privat geführten Hotel Domschatz. Die Unterkunft ist ein absoluter Geheimtipp. Der Service ist aufmerksam, liebenswert und familiär, die Zimmer sind klein und sauber und das Frühstück ist schmackhaft, wenn auch nicht abwechslungsreich. Liebe Hexen wohnen übrigens im Neubau des Hotels im Hexenzimmer. Die Kinder wollten es sich unbedingt einmal ansehen…
Essen und Trinken in Quedlinburg: In den Restaurants is(s)t man, vor allem am Wochenende, mit einer Vorbestellung gut beraten. Wir waren abends im Brauhaus Lüdde, im Cafe Creperie 44, im Schiller’s und in der obskuren Pizzeria Zur Hölle im Stieg 20 (etwas versteckt). Des Weiteren gibt es eine Käsekuchenbäckerei und viele weitere kleine Cafés.
Nicht verpassen: Ein Aufstieg auf den Schlossberg sowie die Altstadt von Quedlinberg. Durch den Ort plätschern kleine Bäche, die man im Sommer mit Gummistiefeln durchstreifen kann. Auf dem Münzenberg in Quedlinberg besuchten wir das Museum der Klosterkirche Sankt Marien. Es warten drei alte Skelette in Kopfnischengräbern (ein 800 Jahre alter Ritter) und weitere Funde aus dem Mittelalter. Der Eintritt ist frei.